ÜBER DAS PROJEKT
Mit dem Projekt Werkstatt Kunst in Brandenburg initiierte der Verband einen überregionalen Dialog über aktuelle Positionen, Standorte und Netzwerke der zeitgenössischen Kunstlandschaft im Flächenland Brandenburg. Die Ausstellung dokumentiert die erste Bestandsaufnahme und sukzessiv den aktuellen Zwischenstand des Austauschprozesses mit allen beteiligten Bildenden Künstler*innen und Akteur*innen aus der freien Kunstszene sowie Vertreter*innen von Museen, Kulturstiftungen und Kulturverwaltungen.
Den Auftakt des Projekts bildete eine 12-teilige Gesprächsreihe im digitalen Format. Bildende Künstler*innen und Akteur*innen aus den Regionen gaben Einblicke in ihr Schaffen und ihre Ausgangssituation vor Ort. Das Projekt wird weiterhin begleitet von einer Umfrage. Wesentliche Bedürfnisse, Wünsche und Ideen aus den Gesprächen finden Sie hier bereits notiert und auch in den Gesprächsdokumentationen wieder.
AUSGANGSSITUATION
Mit 1.340 professionell tätigen Künstler:innen ist die Bildende Kunst die stärkste Sparte von allen Kulturbereichen im Land Brandenburg – und wir gehen von weitaus mehr Künstler:innen und Kunstschaffenden aus, die sich nicht in den den Mitgliedszahlen der Künstlersozialkasse abbilden.* Im Brandenburgischen Verband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BVBK) e.V. sind aktuell 311 Mitglieder organisiert.
Künstler:innen im Bereich der Bildenden Kunst sind ausschließlich freischaffend tätig und nicht in institutionellen Organisationsstrukturen angestellt beschäftigt (Vgl. Theater- und Musikbereich), was sich eklatant auf die Daseinsvorsorge auswirkt.
Bedarf besteht nicht nur in der Stärkung einer gemeinsamen überregionalen Sichtbarkeit, Vernetzung und Zusammenarbeit, sondern nach wie vor auch in der Verbesserung der Rahmenbedingungen für künstlerische Arbeit und weitreichenden Anerkennung des Künstler:innenberufs.
* Als zweitstärkste Sparte umfasst der Musikbereich 1.248 Künstler:innen, der Bereich Wort zählt 814 Künstler:innen und die Sparte der Darstellenden Künste zählt 756 Künstler:innen. Im Vergleich zum Vorjahr 2020 ist die Anzahl um 73 freischaffende Bildende Künstler:innen gestiegen, wo 1.267 Personen gemeldet waren.
(Quelle: Statistische Erhebung der Mitgliedszahlen der Künstlersozialkasse im Ländervergleich, Stand: 13.03.2021 und 14.03.2020).
KÜNSTLERISCHE AUSDRUCKSFORMEN
Auch im Land Brandenburg ist die Bildende Kunst die Kultursparte mit der höchsten Vielfalt und Lebendigkeit an Ausdrucks- und Engagementformen, die sich kontinuierlich ausdifferenzieren.
Die Medien der Malerei und Grafik sowie Bildhauerei/Skulptur, Installations- und Raumkunst und Fotografie – wenn auch weitaus weniger – sind überall und über alle Generationen hinweg nach wie vor am stärksten vertreten. Die audiovisuellen Medien und performative Künste sind auch in vielfältiger Form verbreitet.
Orts- und situationsbezogene Praktiken erfahren in allen Regionen und besonders im ländlichen Raum eigene lokalspezifische Ausprägungen, sei es in urbanen Kontexten oder in Landschaftsräumen (Kunst im öffentlichen Raum, Kunst am Bau, Skulpturenpfade, temporäre Land-Art-Interventionen). Darunter bereichern neue kollaborative und partizipative Praktiken zunehmend die zeitgenössische Kunstlandschaft in den ländlichen Räumen.
Vielerorts bestehen Schnittstellen zwischen der Bildenden Kunst und den angewandten Künsten (z.B. Handwerk). Interdisziplinäre Kooperationen bestehen vor allem mit dem Musik- und Literaturbereich. Insgesamt besteht eine große Offenheit für neue experimentelle und innovative Herangehensweisen in Interaktion mit der lokalen Bürgerschaft.
VERTEILUNG IM LAND
Bildende Künstler*innen, Kunstorte und Initiativen sind im Flächenland Brandenburg sehr weit gestreut zu finden. Die meisten haben Ihren Schaffensmittelpunkt in Potsdam und Umgebung sowie im näheren Umkreis Berlins, gefolgt von den urbanen Zentren Cottbus und Frankfurt (Oder). Fernab dieser Verdichtungen sind bildende Künstler*innen und Kunstschaffende im ländlichen Raum stark dezentral verteilt, insbesondere an den äußeren Landesgrenzen und in dünn besiedelten Regionen.
Entscheidende Standortfaktoren für Bildende Künstler*innen und Kunstschaffende im Land sind:
- kostengünstige Raumnutzungsmöglichkeiten und erschwingliche Baustrukturen zur Umnutzung
- unzersiedelte Natur- und Landschaftsräume
- aktive unabhängige Kunstszenen, freie Bündnisse und Gemeinschaftsorte der Bildenden Kunst, die sich über die Jahre etabliert haben
- ausgebaute Infrastrukturen (Mobilitäts- und Digitalnetze).
Abgesehen von Potsdam oder Cottbus sind die meisten Bildenden Künstler*innen sukzessiv in die Regionen gezogen, oftmals auch aus Städten wie Berlin hinaus auf's Land. Während eine Generation bereits seit den 1970er und 1980er Jahren vor Ort ist, gibt es einzelne Zuzugsphasen: Im Zuge der politischen Wende 1989/90 eröffnete sich ein neues Terrain im Ost-West-Gefüge und Anfang/Mitte der 2000er Jahre sind weitere neue Künstler*innen, Kunstorte und Festivals in den Regionen hinzugekommen. Aktuell gewinnt der ländliche Raum und die Klein- und Mittelstädte wieder an Konjunktur.
Grundsätzlich steht die Frage der Nachwuchsgeneration im Land Brandenburg aufgrund der nicht etablierten künstlerischen Hochschulausbildung im Raum.
REGIONALEXPERTISE
Bildende Künstler*innen sind – wie oftmals zitiert – nicht nur Raumpioniere, sondern auch Raumexpert*innen und leisten einen erheblichen Beitrag zur Regionalentwicklung im Land Brandenburg. Durch eigene Angebote und selbstorganisierte Kunstorte schließen sie strukturelle Leerstellen in der Kunst- und Kulturlandschaft. Dadurch werden die Lebensqualität und Attraktivität an den Standorten immens gesteigert und wirtschaftliche Wertschöpfungsketten in Gang gesetzt (z.B. Tourismus, Gastgewerbe, Handwerk).
Ein äußerst großes Verantwortungsbewusstsein besteht gegenüber den lokalen Schaffensumfeldern. Das öffentliche Leben wird mitgestaltet und vakante Baustrukturen werden oft auch durch die Initiative und das Engagement von Künstler*innen revitalisiert. Viele der Bildenden Künstler*innen zeichnen sich durch eine ausgesprochen hohe Sensibilität und bewusste Reflexion der gesellschaftlichen Entwicklungen aus, aktuell sind Themen rund um die Transformationsprozesse, Umweltfragen oder Erinnerungskulturen jenseits der bekannten Traditionslinien im Land Brandenburg.
Die Bildende Kunst entsteht nicht in einem Vakuum, sondern ist auch in Brandenburg ein wichtiger Resonanzraum für demokratiebildende Prozesse.
RÄUME FÜR DIE BILDENDE KUNST
Unentbehrlich für die künstlerische Produktion sind geeignete Arbeitsräume, Ateliers und Werkstätten. Da selbstorganisierte Atelierhäuser in den Verdichtungsräumen Brandenburgs nicht ausreichend vorhanden sind oder Unsicherheiten durch befristete Verträge bestehen, zieht es Künstler*innen tendenziell in die Klein- und Mittelstädte.
Abgesehen von der Landeshauptstadt Potsdam fehlt es überall auch an professionell geführten Ausstellungs- und Diskursräumen, die die vielfältigen und experimentellen künstlerischen Praktiken aufgreifen.
Vakante Bauten werden auch für die Präsentation von Bildender Kunst genutzt, vor allem für temporäre Ausstellungsprogramme. Durch den Strukturwandel entstehen gerade in den ländlichen Regionen neue Räumlichkeiten, die eine Nutzung durch Kunst und Kultur ermöglichen. Jedoch mangelt es an einer personellen Unterstützungsstruktur, um diese Räumlichkeiten professionell zu führen.
Grundsätzlich besteht auch ein großes Interesse an der nachhaltigen Verstetigung und strategischen Ausrichtung von Schaffens- und Handlungsräumen für die Bildende Kunst. Künstler*innen und Kunstschaffende agieren in einem überproportional hohen Maße ehrenamtlich, d.h. unentgeltlich, und mit zeitlich begrenzten Projektmitteln.
ÖFFENTLICHE PRÄSENZ
Ausstellungen und Atelierrundgänge, darunter insbesondere die landesweiten Offenen Ateliers oder kommunale Tage des offenen Ateliers, bilden die zentralen Präsentationsformen. Bei den Ausstellungen zählen selbstverständlich eigene Soloausstellungen zu den Höhepunkten der Bildende Künstler*innen. Auch die Teilnahme an Festivals und die Ausstellung in etablierten Museumsinstitutionen sind besonders wichtig. Zugleich werden Präsentationen von Kunst, Performance und Interventionen im öffentlichen Raum sehr geschätzt, da sie offenkundig eine unmittelbare Interaktion mit den lokalen Bürgerschaften oder auch eine längerfristige Präsenz bedeuten.
In der Vermittlung der Bildenden Kunst spielen Künstlergespräche und Workshops eine große Rolle, da sie den direkten Austausch ermöglichen. Projekte der kulturellen Bildung und Kinder- und Jugendprogramme bilden vielerorts wichtige Standbeine, wobei die eigene künstlerische Praxis oftmals nach den Bedürfnissen der Partner und Zielgruppen ausgerichtet wird. Wenig ausgeprägt, dennoch vielfach gewünscht sind neue dialogische Formate und Diskurse.
Die größte öffentliche Reichweite innerhalb der Regionen und auch über Brandenburg hinaus erreichen die temporären Festivals und Biennalen der freien Szene. Um die lokale Bürgerschaft zu involvieren, braucht es jedoch ein beharrliches „Dranbleiben“ - was grundsätzlich die Arbeit in den ländlichen Regionen beschreibt.
Die große Vielfalt an künstlerischen und kulturellen Veranstaltungsaktivitäten findet deutlich zu wenig Resonanz in den lokalen und regionalen Medien, vor allem aufgrund einer mangelnden Kulturberichterstattung. insgesamt gut ausgeprägt. In neuen Online-Publikationsformen besteht großes Potenzial, um an überregionale Öffentlichkeiten und Fachdiskurse der Bildenden Kunst anzuschliessen. Webbasierte Plattformen und virtuelle Atelierrundgänge sind als neue Formate besonders gewünscht.
NETZWERKE
Zwischen den Landkreisen und kreisfreien Städten bestehen bislang kaum überregionale Austausch- und Kooperationsbeziehungen in der Bildenden Kunst, besonders aufgrund mangelnder Mobilitätsinfrastrukturen im Flächenland Brandenburg. Nur in unmittelbarer, nachbarschaftlicher Lage sind Zusammenarbeiten ausgeprägter. Die wenigen und umso wichtigeren lokalen Bündnisstrukturen und Künstler*innennetzwerke mit überregionaler Ausstrahlung reichen weit zurück in die 1990er Jahre. In absoluter Grenzlage zu den benachbarten Bundesländern (z.B. Lausitz) oder zum Nachbarland Polen (v.a. Frankfurt/Oder) sind bereits erste Zusammenarbeiten und Kontakte entstanden.
Großes Interesse besteht an überregionalen und internationalen Artists-in-Residence- und Austauschprogrammen und an einer landesweiten Kulturkonferenz, um alle weit in der Fläche verorteten Künstler*innen und Kulturakteur*innen miteinander zu verbinden. Für nachhaltige Kooperationen sind konkrete Anlässe und Netzwerkstrukturen entscheidend.
Bedürfnisse und Wünsche
- Wertschätzung und Anerkennung des Berufsbilds Bildender Künstler*innen
- Verständnis der Vielfalt des künstlerischen Schaffens in Gemeinsamkeiten und Unterschieden in der Öffentlichkeit und bei Entscheidungsträgern
- Verbesserung der Sensibilität und Offenheit gegenüber künstlerischen Praktiken und experimentellen Ansätzen
- Unterstützung von kunstvermittelnden Lernprozessen
- Förderung der freien künstlerischen Arbeit und Erhaltung von Freiräumen / Freiheit der Kunst vs. Auftragskunst und Themenjahre
- Etablierung von professionell geführten Produktions-, Präsentations- und Diskursorten
- ausdifferenzierte und spartengerechte Förderinstrumente
- angemessene Vergütungen, auch von Ehrenämtern
- Kultur ins Grundgesetz
- demokratische und transparente Wettbewerbsverfahren bei öffentlichen Ausschreibungen
- Nutzen und Einbindung bestehender Ideen, Angebote und Orte von Bildenden Künstler*innen und Kunstschaffenden in Kulturentwicklungsstrategien und kommunalen / regionalen und landesweiten Kunstorten
- Nachhaltigkeit / Verstetigungsmöglichkeiten und langfristige Perspektiven für künstlerisches Engagement, unabhängige Kunstorte, Festivals und Projektinitiativen
- professionelle Unterstützungsstrukturen und Fachkräfte aus den kuratorischen, kunstvermittelnden und organisatorischen Berufen
- Wissenstransfer für neu hinzukommende Generationen
- Synergiebildung durch Netzwerke
- Förderung des künstlerischen Nachwuchs für zukünftige Generationen in den Regionen
- Förderung von Mobilitäten und Austauschprogrammen zur überregionalen und transnationalen Vernetzung
- Kommunikation mit Ansprechpartner*innen und Verbündeten in Kommunen und Landkreisen
- Nachfolgeformate zu den einstigen Landeskunstausstellungen
- überregionale Kulturkonferenz
Stärken und Potenziale
- Impulsgeber für Innovationen und neue Synergien
- Motor für sozialen Wandel und Transformationsprozesse
- Standortfaktor für eine attraktive Regionalentwicklung
- Wirtschaftsfaktor, wirtschaftliche Inwertsetzung und Wertschöpfungsketten
- Resonanzraum für gesellschaftsrelevante Fragen und Diskurse
- Förderung gemeinschaftsbildender und demokratiefördernder Prozesse
- identitätsstiftende Größe und zivilgesellschaftliches Engagement
- ausgewiesene Lokalexpertise und Offenheit gegenüber den regionalen Schaffensumfeldern und Gemeinschaften
- Verantwortungsbewusstsein und Sensibilität gegenüber den standortspezifischen Themen der Regionalentwicklung und Transformationsprozessen von gesamtgesellschaftlicher Relevanz (Nachhaltigkeit, Umweltfragen, demographischer Wandel oder zunehmender Populismus)
- kollaboratives Denken
Themen und Diskurse
- Künstlerbild (Selbst- und Fremdbild), künstlerisches Selbstverständnis und öffentliche Wertschätzung
- Verortung von Künstlerbiografien und künstlerischer Sozialisierungsgeschichte der diversen Generationen im deutsch-deutschen und transnationalen Kontext
- Verhältnis von Bildender Kunst zu den Angewandten Künsten (Kunsthandwerk, Design, Architektur)
- Kunst im öffentlichen Raum/Kunst am Bau, ortsbezogene Interventionen und Land Art
- Bürgerbeteiligung, Partizipationsmodelle und Gemeinschaftsbildung durch Bildende Kunst
- Verhältnis zu Natur- und Landschaftsräumen
- Umweltfragen und Nachhaltigkeit
- Strukturwandel und Transformationsprozesse
- demografischer Wandel und Nachwuchsfrage, Weggang vs. Zuzug und Gentrifizierung
- Sensibilisierung der Nachwuchsgeneration für Bildende Kunst und kulturelle Bildung
- Umgang mit dem DDR-Kunsterbe sowie Künstlervor/Nachlassfragen
- Potenziale der Kunst für die Erinnerungskultur und Geschichtsschreibung jenseits bekannter Traditionslinien
_ Reflexion gesellschaftlicher Diskurse und internationaler Entwicklungen und Einbettung auf lokal- und regionalspezfische Schaffensumfelder
- politische Entwicklungen und Positionierung gegenüber populistischen Tendenzen in den Regionen /vor allem im ländlichen Raum
- transnationaler Austausch und internationale Mobilitäten
Vgl. Fragebogen:
Standortbestimmung und Analyse der künstlerischen Position / Mission
- kunsttheoretische Diskursfähigkeit und Übertragung von gesellschaftlichen Diskursen (z.B. Feminismus, Diversität)
Multiperspektivität – künstlerische Perspektivwechsel und Experimentierfreude
- Verbindung von Tradition und Gegenwart – Kulturerbe und Offenheit für aktuelle Transformationsprozesse und Zukunftsperspektiven
- Ortsspezifik und kulturelle Umgebung
- Verbindung von lokal-regionalen Bezügen mit globalen Impulsen und Entwicklungen
- Erinnerungskultur und historisch-politische Aspekte
- Demokratiebildung + Landschafts- und Umweltpolitik
Berufsverband Bildender
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T +49 331 270 65 38
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Mi – Fr 11 – 17 Uhr
Sa 12 – 16 Uhr
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